Tanja Mahn-Bertha ist Erzählerin und Logopädin. Sie arbeitet in der Logopäden-Fortbildung, hauptsächlich aber als Erzählerin. Unter anderem geht sie in Altersheime und sammelt demente Menschen um sich, um ihnen in einer Märchenstunde Ruhe, Zufriedenheit und Geborgenheit zu vermitteln. Das ist aber nur ein Teil ihres Repertoires, alle Einzelheiten finden Sie auf ihrer Homepage Wortzauber-Zauberworte.
Sie hat sich mit dem Buch „Management und Märchen“ von Rolf Wunderer beschäftigt und darüber in unserem Unternehmernetzwerk referiert. Ich möchte Ihnen diesen interessanten Vortrag hier einstellen, auch wenn er „ein bißchen länger“ ist.
Rolf Wunderer
war Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre sowie Gründer und Leiter des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St Gallen mit vielen Publikationen und langjähriger Erfahrung in Forschung, Lehre und Beratung. Als Emeritus konzentrierte er sich mit Unterstützung der Stiftung für praxisnahe Managementforschung auf die Umsetzung diese Buches.
Dieses Buch ist unter anderem enstanden aus der Idee Symbole , Semantik, sowie Sprachebenen im Märchen zu analysieren und zu untersuchen, in wieweit eine Übertragung in die Mangementlehre möglich ist. Außerdem sollte das didaktische Mittel der Erzählung für Aus- und Weiterbildung diskutiert werden.
Aschenputtel
Aschenputtel erlebt eine üble Mobbingeschiche, außerdem aber noch den Tod der Mutter und einen herzlosen Vater. Aschenputtel verhält sich in dieser Situation der Familie gegenüber zuerst loyal und abwartend. Sie „zählt erst die Linsen“ bevor sie in die Aktivität geht. Dieses erst reflektieren und dann gezielt aktiv werden, wird auch Mobbingopfern empfohlen, sie verhält sich hier also völlig richtig. Aschenputtel steht dem belastenden Problem zunächst alleine gegenüber.Sie zeigt dabei eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Erdulden. (Endurance)
Als es es von der öffentlich gemachten freundlichen Übernahme de elterlichen Unternehmens durch das größte und angesehenste Familienunternehmen des Landes „des Königs“ hört, strebt es beharrlich und initiativ seine persönliche Mitwirkung an. Dabei stellt es sich mit grossem Kompetenz- und Schicksalsvertrauen der Proben des Familienclans.
Außerdem unterzieht es sich der vom übernahmewillgen Unternehmen verlangten Prüfungen (Bälle),die sie mit Bravour besteht. Dabei helfen ihr die ihr zugesprochene Werte wie Schönheit und Tugend, aber auch die statusfördernden Ressourcen wie Kleid und Schmuck.
Zusätzlich führt Aschenputtel selbst eine Prüfung des Zukünftigen durch und testet dabei seine Dauerhaftigkeit und Belastbarkeit. Darüber besteht sie massive Angriffe durch den Seniorchef ohne zu entmutigen.
Zum Schluß unterzieht sie sich noch einem letzten Eignungstest ( Schuh) . Dabei legt sie ihren beeinträchtgenden Status offen und gewinnt dadurch noch mehr Punkte.
Endlich löst sie sich ganz aus dem maroden Familienbetrieb und wechselt in die Leitung des übernehmenden Unternehmens.
Insgesamt zeigt Aschenputtel eine bemerkenswerte Mischung aus klugem Erdulden und mutig initiativem Handeln nach dem Motto:
„Endure it, change it or leave it“
Aschenputtel hat ein stabiles Selbstvertrauen, in sich selbst und andere. Darauf zu beharren, dass sie nicht durch und durch ein Aschenputtel ist, auch wenn niemand außer ihr diese Sichtweise teilt, ist die grosse Leistung des Vertrauens in sie selbst.
Diese Sicht auf die Geschichte gefällt mir viel besser, als die oft zu findende Deutung des Aschenputttels als hilfloses Mädchen, das nur auf den erlösenden Prinzen wartet.
Der Cinderella -Komplex beschreibt Frauen, die in der Kindheit schon gelernt haben klein beizugeben, blind ergeben zu sein und auf den Retter zu warten.
Im Vergleich dazu verharrt Dornröschen meiner Meinung nach genau in dieser passiven Rolle, die nur durch positive Schicksalsfügungen zu einem guten Ende führt.
Selbstvertauen in Märchen und Management
Außergewöhliches Selbstvertauen zeigen viele Helden im Märchen und sie zeigen sich außerordentlich unabhängig vom Fremdvertrauen in ihre Vertrags- oder Interaktionspartner. Märchenhelden leben ihre Visionen, zeigen Selbstvertrauen, Dulder –aber auch Handlungskompetenzen und kompensieren physische oder professionelle Unterlegenheit durch Erfindungsreichtum , sowie durch das Knüpfen von Netzwerken.
Märchernhelden riskieren aber auch Kopf und Kragen für unbekannte meist unzuverlässige Auftraggeber, die ihr Wort nicht halten. Außerdem müssen sie oft eine lange Zeit erdulden und Vertrauensverletzungen hinnehmen bevor sie aktiv werden können.
Selbstvertrauen wird unterschieden in:
Internales Selbstvertrauen:
Kompetenzvertrauen sich sachlichen- fachlichen Anforderungen gewachsen zu fühlen bei den Märchenhelden meist ohne die erforderliche Ausbildung oder Erfahrung „Bei Schwierigkeiten finde ich schon eine Lösung!“
Soziales Selbstvertrauen auch riskante Beziehungen werden eingegangen weil man vertraut, Vertrauensverletzungen eher niedrig bewertet und deshalb nicht gleich die Interaktion beendet. „ Mich bringt so leicht nichts aus der Fassung“ „Auch bei einem Vertrauensbruch finde ich eine Lösung“
Umsetzungsvertrauen Umsetzung von Zielen und Aufgaben ohne lange zu zögern „Frisch gewagt, ist halb gewonnen!“ im Märchen oft unreflektiert wie beim tapferen Schneiderlein „es fällt mir nicht schwer meine Ziel umzusetzen“
externales Selbstvertrauen: = Stabiler Kern des Fremdvertrauens
Schicksalsvertrauen schwierige Situationen werden besser ertagen, weil man mit Eine weitere au?erst aufregende Roulette Variante, deren Regeln wir dir nun naher erlautern mochten, ist Racetrack Roulette. guten Mächten oder günstigen Sternen rechnet
Netzwerkvertrauen Überzeugung, dass es Freunde, Helfer in der Not gibt, die man für sein Vorhaben gewinnen kann.
Im Märchen trifft man oft auf Figuren mit geringem internalen Vertrauen, sie sind oft die Dummlinge, die aber mithilfe einer höheren Macht, geneigten Helfern oder Tieren, denen sie vorher geholfen haben zum Ziel kommen. ( Der arme Müllersbursche und das Kätzchen, Die Bienenkönigin, Der Teufel mit den 3 goldenen Haaren, Rumpelstilzchen….)
Helden die sich rein auf sich verlassen gibt es aber auch, (wie z,B: das tapfere Schneiderlein, Der gestiefelte Kater.) Diese haben ein eher überhöhtes internales Selbstvertrauen.
Diese Helden reflektieren oft ihr Fremdvertrauen nicht, Vertrauensverletzungen werden nicht registriert, man geht mehrfach auf einen nächsten wieder lebensgefährlichen Auftrag ein. (Das tapfere Schneiderlein) Es kann aber auch sein, dass jeder neue Handel schön geredet wird, wie bei Hans im Glück ( Dissonanzabbau) .
Bei großen Konzernen kann man diesen Dissonanzabbau ebenfalls beobachten, wie z. B.bei Daimler Benz – positive Uminterpretierung von Fehlinvestitionen
Die Könige im Märchen sind meist eher hilflos und unfähig ggegnüber einer aufgetretenen Bedrohungssituation und verzweifelt auf der Suche nach einem Helfer. Sie scheinen nur noch Platzhalter auf dem Königsthron zu sein, haben keine unternehmerischen Kompetenzen. Sie locken die Helfer mit höchsten Erfolgsprämien und vergeben den Auftrag an den Nächstbesten ohne sich der wirklichen Eignung zu versichern. Es reicht ihnen ein scheinbares Selbstvertrauen des Anwärters. Die Personalwahl der Prinzipale ist daher für das Management nicht richtungsweisend.
Auf die Bewertung des internalen Vertrauens als Schlüsselkompetenz sollte allerdings bei der Personalauswahl und -einsatz mehr Wert gelegt werden. Denn ein gutes internales Selbstvertrauen korrelliert nach den Forschungsergebnissen mit hoher Leistungsmotivation und Leistungserfolg.
Gerade in der langfristigen Beziehungsgestaltung sind Selbst- und Fremdvertrauen entscheidende Ressourcen. Damit werden Kooperationen schneller und offener begonnen. Und bei Verletzungen reagiert man gelassener, selbstbewusster und nicht gleich negativ nach dem Motto: Auge um Auge Zahn um Zahn.
Da können MärchenheldInnen auch für Führungskräfte als Vorbild dienen, besonders in der Konflikthandhabung.
Endurance:
Vertrauenspotential zeigt sich nicht nur im selbstbewussten Denken und managertypischen Handeln, sondern auch im fatalistischen Ertragen von Krisensituationen.
Beispiele: Dietrich Bonhoeffer ( von guten Mächten….)
Ein Polarforscher ( Ernest Shackleton), der seinem Expeditionsschiff den Namen Endurance gab.
Eine gute Mischung der genannten Komponenten führt zum „Trust but verifie!“
Hoch korreliert auch die Vertauenswürdigkeit einer Person und ihre Vertrauensbereitschaft, wie ein Forscher auf diesem Gebiet (J. Rotter) feststellt.
„ People who trust more, are less likely to lie. …are more likely to give others a second chance and to respect the rights of others“
„ The hight truster is less likely to be unhappy, conflicted, or maladjusted( schlecht geregelt, entfremdet); he or she is liked more and is sought out as a friend more often, both by low -trusting and high-trusting others!“
Sein Resumee ist:
„We cannot control the forces at work in society by ourselves, but within our smaller circle of influence, we can model and encourage a little more trust, … and a younger generation may be a little more ready for a better world – just in case there is one coming.“
Hans im Glück ( Motivation in Management und Märchen)
Hans als Glücksökonom
In der Geschichte von Hans sieht man, dass nicht nur der materielle Wert das menschliche Handeln bestimmt, sondern die subjektive Einschätzung eines Gutes. Er wird hier als rationaler Ökonom beleuchtet, der den Verlust höher bewertet als den Gewinn, was ihn zu immer höheren Einsätzen verleitet. Als er Probleme mit seinen Tauschobjekten bekommt, will er die Verdriesslichkeit sofort aus der Welt schaffen und kann dies auch. Er sieht sich jederzeit überoptimistisch als „den glücklichsten Menschen unter der Sonne“ und so von anderen immer bevorzugt.
In die Zukunft aber sieht er nicht sehr realistisch. Deshalb folgt dem übersteigerten Glücksgefühl des Gewinners rasch verdriessliche Ernüchterung.
In der Forschung gibt es 5 Einflussgrößen für glückliches Wohlbefinden:
– Als Persönlichkeitsfaktoren ein naives Selbstvertrauen und steter Optimismus
– jugendliches Alter
– hohes Einkommen (Goldklumpen) und die selbst gewählte Beschäftigungsfreiheit
– keine Belastung durch Arbeitsstress, Kooperationskonflikte, Lebenspartner, noch Krankheit
– politische Rahmenbedingungen ( für Hans nicht relevant )
psychologisch kommen hinzu:
– Zufriedenheit mit dem Leben ( dies zeigt Hans und strebt es auch immer wieder an)
– Fehlen von schlechter Stimmung (trifft auf ihn in keinster Weise zu – ständige Verdriesslichkeit)
– doch er schafft es immer wieder sich in eine gute Stimmung hineinzureden und diese zu demonstrieren. Hans kann sein „Pech“ immer wieder in „Seelengold“ verwandeln
Hans“ ständige Tauschgeschäfte entspringen seiner subjektiv unerträglichen „Arbeitsbelastung“ auf seinem Heimweg ( Stein drückt, Reiten- Abwurf, Kuh – keine Milch und Tritt, Schwein – beinahe verhaftet zu werden, für etwas was er nicht getan hat, bis hin zum Wetzstein, der ihn belastet.) in der unstillbaren Hoffnung auf Glück- das sich am Ende ja auch einstellt.
„Begegnete ihm eine Verdriesslichkeit, so war“s gleich wieder gut gemacht“
Hans hat eine große Fähigkeit zu steterEigenmotivierung. Er nimmt die Dinge in die Hand, handelt aktiv und initiativ.
Zum Thema Eigenmotivation werden in der Forschung die Big Five der Persönlichkeit als tragende Säule gesehen:
Extraversion (aktiv, gesellig, dominant, gesprächig) – bei Hans sehr ausgeprägt
Emotionale Stabilität ( unbekümmert, mutig, optimistisch, gelassen) – ebenfalls groß
Verträglichkeit ( freundlich, flexibel,vertrauensvoll, kooperativ) – ebenfalls ausgeprägt
Gewissenhaftigkeit ( verlässlich, sorgfältig, organisiert, ausdauernd) – eher unreflektiert, sprunghaft, intuitiv
Offenheit für Erfahrungen ( einfallsreich, vielseitig, aufgeschlossen) –Hans zeigt sich nicht emotional stabil
Hans hat eine ausgeprägte Fähigkeit zum Dissonanzabbau (statt Dissonanzverstärkung durch Jammern oder perfektionistische Selbstblockierung“ Haar in der Suppe suchen“) Robinson Crusoe begutachtet die Insel schreibt eine Pro-contra-Liste und schmeisst dann die Negativliste weg.
Er zeigt ein unerschütterliches, weil unreflektiertes Selbstvertrauen. Sein Sozialvertrauen sogar in jede Strassenbekanntschaft ist unglaublich. In seinen losen Netzwerken findet er immer wieder Tausch – und Kooperationspartner. denen er unbedacht vertraut. Seine eigenen Kompetenzen und sein Vertrauen in seine Kompetenzen stehen ebenfalls auf dünnen Eis.
Eine weitere Säule für Motivation erfüllt Hans ebenfalls nicht:
Commitment freiwilliges Erbringen einer ungeliebten Leistung, bzw. Ertragen von Demotivation
kalkulatives Commitment er wägt weder rational und nüchtern Vor- und Nachteile seiner Entscheidungen ab
emotionales Commitment noch erträgt er aufgrund einer gefühlsbezogenen Verpflichtung, die er jemandem gegenüber empfinden könnte „ für dich tue ich diese ungeliebte Arbeit“
ethisches Commitment geschweige denn, aufgrund einer moralischen Verpflichtung „Versprochen ist versprochen“
Hans“ Umsetzungshandeln ist auch eher problematisch. Er sollte sich auf möglichst rationale Entwicklung und Prüfung von Handlungsalternativen und Plänen ausrichten, was er aber tut ist rein spontan und intuitiv. Statt zu reflektieren stürzt er sich lieber euphorisch in das nächste Geschäft. Er lernt aus seinen demotivierenden Tauscherfahrungen nicht und Ausdauer und Erdulden hat er nie geübt. Er bevorzugt hier eher eine Schonhaltung.
Diese Just do it – Haltung findet man im Märchen allerdings oft , hier wird aktionsorientiert agiert und das Risiko ausgeblendet ( Das tapfere Schneiderlein) „Frisch gewagt ist halb gewonnen“
Hans schafft er es immer wieder seine Situationsmotivation zu steigern. Die Valenz ( also dem Anreizwert seiner Ziele) wird wie der Wind neu definiert und er schreibt ihr
auch höchste Bedürfnisbefriedigung zu. Der erwartete Nutzen für seine leiblich-seelische Bedürfnisbefriedigung ist dementsprechen hoch ( Instrumentalität)
Außerdem vermehrt er auch bei der Einschätzung seiner Erfolgswahrscheinlichkeit seine Leistungsmotivation, denn
– er denkt nicht über die Risiken nach
– er praktiziert ja sofortigen Dissonanzabbau
– und sein Schicksalsvertrauen stützt seine optimistische Einschätzung
„ Ich muss mit einer Glückshaut geboren sein, rief er aus, alles was ich wünsche, trifft ein, wie einem Sonntagskind“