nahles_andreaSteuerberater verstehen nichts vom Arbeitsrecht?

Sehr geehrte Frau Nahles,

hiermit verwehre ich mich nach- und ausdrücklich gegen Ihre in der Diskussionsveranstaltung mit sächsischen Handwerkern getätigte Verunglimpfung unseres Berufsstandes. In der sächsischen Zeitung vom 11. März 2015 werden Sie wie folgt zitiert:

In der Zwischenzeit habe auch so mancher Steuerberater seine Klienten nicht richtig informiert, sagt Nahles: „Nichts gegen Steuerberater, aber sie verstehen vom Arbeitsrecht nichts.“ Allein 6 000 Steuerberater seien unter den 35 000 Anrufern der Mindestlohn-Hotline im Ministerium gewesen.

Dass 6.000 Steuerberater unter den 35.000 Anrufern der Mindestlohn-Hotline waren, spricht nicht etwa gegen das Fachwissen der SteuerberaterInnen in Deutschland sondern gegen den Gesetzeswortlaut. Wenn ein Berufsstand, der es gewohnt ist, sich schwierige und trockene Gesetzestexte zu erarbeiten und diese zu verstehen, mit dem Mindestlohngesetz nicht wirklich klar kommt, ist das ein Armutszeugnis für das Gesetz, nicht für den Berufsstand. Im Übrigen bekommt man auch von den Mitarbeitern der Hotline oft keine befriedigenden Antworten. Die schriftlichen Ausführungen sind immer Textbausteine, in denen wörtlich darauf hingewiesen wird, dass die Auskunft der Hotline nicht den Gang zum Rechtsanwalt ersetzen kann.

Auch dass bisher 35.000 Anrufer die Hotline in Anspruch nehmen mussten, ist nicht etwa als Erfolg der eingerichteten Hotline zu deuten sondern als Armutszeugnis für die Verständlichkeit des Mindestlohngesetzes. Wenn die von Ihnen genannten 6.000 KollegInnen als Vervielfältiger nicht wären und nur betroffene Unternehmer die Hotline kontaktieren würden, wären die Anruferzahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit längst deutlich sechsstellig und die Hotline komplett überfordert.

Leider muss man mehr und mehr den Eindruck gewinnen, das Mindestlohngesetz sei ein Konjunkturprogramm für notleidende Arbeitsrechtler. Ihre o.g. Aussage dient nicht dazu, diesen Eindruck zu entkräften.

Es steht Ihnen jedenfalls nicht zu, einen Berufsstand öffentlich als unwissend hinzustellen, der sich zwecks Information seiner Mandanten tief in ein handwerklich schlechtes Gesetz einarbeiten muß, gleichzeitig aber nicht befugt ist, durch diesbezügliche Beratung auch Umsätze zu generieren.

Mit nicht wirklich freundlichem Gruß

Gabriele Gründling
Steuerberaterin

Und wer das Ganze noch etwas auf die Spitze getrieben lesen möchte, dem empfehle ich die außerordentlich gute „Danksagung“ eines Kollegen aus Hamburg

Foto: spdfraktion.de (Susie Knoll/Floran Jänicke)