169894_web_R_K_B_by_Siegfried Fries_pixelio.deAm 01. Januar 2015 kommt er nun – der Mindestlohn. Mit 8.50 € pro Stunde mindestens soll ein Arbeitnehmer nun entlohnt werden. Inklusive Arbeitgeberbelastung zur Sozialversicherung, bezahltem Urlaub und angenommen einer Krankheitswoche pro Jahr beträgt der Bruttolohn so für den Arbeitgeber rund 11,50 €.

Ich bin durchaus der Meinung, dass jemand, der 40 Stunden pro Woche arbeitet, in der Lage sein sollte, von diesem Einkommen auch einigermaßen leben zu können. Was „leben“ bedeutet, ist, was man an nachfolgenden Zahlen sieht, Ansichtssache. 8,50 € bei einer 40 Stunden-Woche bedeuten brutto 1.473,33 € pro Monat. Ein unverheirateter Arbeitnehmer, der auch noch Kirchensteuer bezahlt, hat so monatlich netto 1.076,41 oder 1.075,54 € auf dem Konto – je nach Bundesland. Wer davon noch eine Wohnung bezahlen will/muß, dem bleibt schon nicht mehr viel übrig für Lebensmittel, Kleidung, Kino etc., geschweige denn, für Urlaub. Vor diesem Hintergrund macht vielleicht sogar das „bedingungslose Grundeinkommen“, das dm-Gründer Götz Werner propagiert, Sinn. Ich bin mir da nach wie vor unsicher, schiebe den Gedanken aber längst nicht mehr so weit weg wie zu Beginn.

Der Mindestlohn wurde wohl deshalb eingeführt, um Dumpinglöhne zu verhindern und damit die Sozialkassen von Hartz VI-Aufstockern zu entlasten.

Das ist bei Großbetrieben aus meiner Sicht wirklich sinnvoll. Gewinnmaximierung und Anlegerbefriedigung auf dem Rücken der Arbeitnehmer auszutragen, sollte „irgendwie“ unterbunden werden.

Die Mindestlohnregelung ist aber ein Gießkannenprinzip, das am unteren Ende der Skala Klein- und Kleinstunternehmer trifft und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so manchen Arbeitsplatz kosten und sicher auch zur Schließung des einen oder anderen Betriebs führen wird.

Ich möchte an dieser Stelle drei Beispiele anführen, eines davon etwas umfänglicher und „persönlicher“ – ich bin sicher, fast jeder könnte diese Liste noch beliebig erweitern. Sie entbehrt natürlich jeglicher Vollständigkeit.

Nehmen wir zum Beispiel das Friseurhandwerk – hier sind die Trinkgelder schon mit in den Stundenlohn einkalkuliert. Trinkgelder sind netto, werden nicht besteuert und auch nicht der Sozialversicherung unterworfen. Natürlich fehlen sie den Friseuren am Ende auch bei der Bemessungsgrundlage für ihre Altersrente. Nur: bei der Geiz-ist-geil-Mentalität, die sich in Deutschland immer mehr durchsetzt, kostet ein einfacher Haarschnitt, besonders bei „Schnellfriseuren“ nicht mal 20 €. Mancherorts wird er für 10 € angeboten. Die Folgen kann sich jeder selbst ausrechnen…..

Neulich ging hier ein „Pfälzer Phänomen“ durch die Presse. Die Hütten des Pfälzerwaldvereins werden grundsätzlich ehrenamtlich betrieben. Trotzdem hat sich in den letzten Jahren eingebürgert, dass die Helfer als Minijobber angemeldet und mit einem kleinen Obolus für ihre vielen Arbeitsstunden in den Hütten entlohnt werden. Auch diese fallen nun unter das Mindestlohngesetz. „Da können wir viele Hütten zumachen“, gab Martin Brandl, stellvertretender Hauptvorsitzender des PWV gegenüber der Presse zu Protokoll. Arbeitsministerin Nahles versprach postwendend, das Thema nochmals zu prüfen. Die Lobby für die Freizeit der Deutschen ist groß – und Brandl ist CDU-Landtagsabgeordneter. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

André Kossmann, früher selbst Leistungsläufer, war viele Jahre in der Sportbekleidungsindustrie tätig, sah sich dort mit den Produktionsbedingungen in Fernost konfrontiert und machte sich 2010 selbständig, um seine Idee und Philosophie der Laufbekleidung „Made in Germany“ in die Welt zu tragen. Die hochwertigen Kleidungsstücke von „Kossmann Laufdesign“ werden ausschließlich in Deutschland produziert, die Stoffe dazu kommen aus Deutschland und Mitteleuropa. Genäht werden Stücke in Nähereien im Raum Chemnitz. Dort verdiente eine Näherin bisher schon 8,50 €, eine ungelernte Hilfskraft, die nur überstehende Fäden abschnitt oder die fertigen Teile verpackte, bekam bisher 6 €. Durch das Mindestlohngesetz werden diese ungelernten Hilfskräfte jetzt mit 8,50 € entlohnt, was natürlich dazu führte, dass die Näherinnen auch auf eine deutliche Gehaltserhöhung bestanden. Aus ihrer Sicht ist das nicht mehr als recht und billig, gar keine Frage. „Es bleibt abzuwarten, wie lange die Nähereien das überleben, denn jeder Kunde überlegt jetzt, wie er die arbeitsaufwändigen Teile (z.B. Jacken) im Ausland nähen kann“ so Kossmann.

Für André Kossmann und ähnliche Betriebe erhöhen sich ab 01. Januar 2015 die Nähkosten um ca. 30%. Seine sowieso hochpreisige Ware wird dadurch noch teurer, der Abstand zu den in Bangladesch und China produzierenden Mitbewerbern noch größer. Er bleibt seiner Linie „Made in Germany“ auch über den 01. Januar 2015 hinaus treu – und muß nun auf das Verständnis seiner Kunden hoffen. „Das Problem macht mir, nicht nur wirtschaftlich, ziemlich zu schaffen. Einerseits finde ich es wichtig, das hier niemand zu Hungerlöhnen arbeitet (wobei ja € 6 für eine ungelernte Kraft im Vergleich zu dem was in Bangladesch und Co. bezahlt wird, immer noch vergleichsweise viel ist), andererseits sorgt die „Methode Mindestlohn“ dafür, dass, zumindest in unserer Branche, auch die Löhne der Fachkräfte steigen, damit das gesamte Lohnniveau und somit wird es selbst für einen hochpreisigen Anbieter wie mich mit wenig Marketingkosten und Marge fast unbezahlbar, arbeitsintensive Produkte wie z. B. Jacken hier in Deutschland herzustellen.“ fasst Kossmann das „Geschehen“ rund um den Mindestlohn zusammen.

Leider habe ich auch keine Lösung für dieses und sicher noch einige andere/ähnliche Probleme – wenn ich die hätte, ginge ich in die Politik. Dieser Beitrag soll „nur“ einen salzigen Finger in eine offene Wunde legen. Mir scheint, dass das Mindestlohngesetz eines von vielen ist, die seitens der Politik mit der heißen Nadel gestrickt werden, ohne Sinn und Sachverstand, ohne Abgrenzungen zwischen der Großindustrie und dem Kleinunternehmer vor Ort, der eh schon jeden Tag ums Überleben kämpfen muß – und vielerorts dazu noch selbst mit einem Gewinn auskommen muß, der oft nicht mal 8,50 € beträgt.

Gabriele Gründling

Quelle Foto: pixelio.de / Siegfried Fries